
NVL Typ-2-Diabetes Fußkomplikationen
Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) „Typ-2-Diabetes – Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen“ wurde als Teil eines umfassenden Leitlinienprogramms von der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellt. Sie wurde erstmals im Jahr 2006 verabschiedet und in der hier vorliegenden Version 2.8 im Jahr 2010 aktualisiert. Diese Leitlinie befasst sich speziell mit der Prävention und Behandlung von Fußkomplikationen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes.
Diabetes mellitus Typ 2 ist eine weltweit zunehmende chronische Erkrankung, die langfristig schwere Komplikationen verursacht, insbesondere an den unteren Extremitäten. Diese sogenannten Fußkomplikationen stellen eine der häufigsten Ursachen für Amputationen dar. Ziel dieser Leitlinie ist es, die Versorgungsqualität zu verbessern, präventive Maßnahmen zu stärken, die Zahl der Amputationen zu senken und die Lebensqualität der Patienten zu erhöhen. Die NVL dient als Standard für medizinisches Fachpersonal, aber auch für Patienten und deren Angehörige, um evidenzbasierte Empfehlungen umzusetzen.
Die Leitlinie wurde in Zusammenarbeit mit mehreren medizinischen Fachgesellschaften entwickelt, darunter die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) und die Deutsche Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRAEC). Diese interdisziplinäre Kooperation unterstreicht die Komplexität der Behandlung und Prävention von diabetischen Fußkomplikationen.
Zielsetzung und Anwendungsbereich
Die Hauptziele der Leitlinie bestehen darin, präventive Maßnahmen zu stärken und eine standardisierte Diagnostik und Therapie von Fußkomplikationen bei Typ-2-Diabetikern sicherzustellen. Sie soll medizinisches Fachpersonal in allen Versorgungsbereichen, von Hausärzten über Diabetologen bis hin zu Gefäßchirurgen, unterstützen. Die Leitlinie ist auch für Podologen, Pflegepersonal, Wundmanager und Therapeuten von Bedeutung, die an der Behandlung und Versorgung der Patienten beteiligt sind.
Patienten und deren Angehörige sollen ebenfalls durch gezielte Aufklärung in den Versorgungsprozess einbezogen werden. Die richtige Fußpflege, das Tragen von geeignetem Schuhwerk und regelmäßige Kontrollen sind essenziell, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren. Zudem richtet sich die Leitlinie an Entscheidungsträger im Gesundheitswesen, die für die Strukturierung und Qualitätssicherung von Versorgungsprogrammen verantwortlich sind.
Das übergeordnete Ziel besteht darin, Komplikationen wie Ulzera und Amputationen zu verhindern und gleichzeitig die Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen zu optimieren. Dies soll durch den Einsatz evidenzbasierter Medizin, multidisziplinäre Zusammenarbeit und ein effizientes Management der Versorgungswege erreicht werden.
Hintergrund und Definition
Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselkrankheit, die durch einen absoluten (Typ-1-Diabetes) oder relativen Insulinmangel (Typ-2-Diabetes) gekennzeichnet ist. Der Typ-2-Diabetes betrifft weltweit Millionen Menschen und stellt eine der häufigsten chronischen Krankheiten dar, die mit erheblichen Langzeitkomplikationen verbunden ist. Diese Komplikationen betreffen besonders häufig die unteren Extremitäten, was zum sogenannten diabetischen Fußsyndrom (DFS) führt.
Das diabetische Fußsyndrom umfasst verschiedene Krankheitsbilder, die alle durch Läsionen am Fuß gekennzeichnet sind. Diese Läsionen können durch Schädigungen der Nerven (Neuropathie) oder der Blutgefäße (Makroangiopathie) verursacht werden. Aufgrund der eingeschränkten Sensibilität (Neuropathie) bemerken viele Patienten kleinere Verletzungen an den Füßen nicht, was zu infizierten Wunden, Ulzera und letztendlich zu Amputationen führen kann. Die Prävention und frühzeitige Behandlung dieser Fußkomplikationen sind entscheidend, um schwerwiegende gesundheitliche Folgen zu vermeiden.
Die Wichtigkeit der Prävention wird in der Leitlinie besonders betont. Durch gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Fußgesundheit, regelmäßige ärztliche Untersuchungen und eine frühzeitige Behandlung können viele Komplikationen vermieden werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachbereichen ist dabei von entscheidender Bedeutung, um eine optimale Versorgung der Patienten sicherzustellen.
Epidemiologie
Die Prävalenz von Typ-2-Diabetes ist in Deutschland hoch. Etwa sieben Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, was rund sechs Millionen Menschen entspricht. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz stark an: Bei Personen über 60 Jahren liegt der Anteil der Betroffenen bei 18 bis 28 Prozent. Dies ist besonders problematisch, da ältere Menschen häufiger an Folgekomplikationen wie Fußläsionen leiden. Die Zahl der Neuerkrankungen nimmt ebenfalls zu, und das Durchschnittsalter bei der Erstdiagnose sinkt stetig.
Die Prävalenz von diabetischen Fußkomplikationen, insbesondere von Fußulzera, liegt bei Diabetikern je nach Studie zwischen zwei und zehn Prozent. Die jährliche Inzidenz von Fußulzera beträgt zwei bis sechs Prozent. In Deutschland werden etwa 70 Prozent aller Amputationen bei Diabetikern durchgeführt, was etwa 29.000 Amputationen pro Jahr entspricht. Diese hohe Zahl verdeutlicht den Handlungsbedarf, insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, in denen die Amputationsrate durch präventive Maßnahmen gesenkt werden konnte.
Ein besonders alarmierender Trend ist der Anstieg von Majoramputationen, d. h. Amputationen oberhalb des Sprunggelenks, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen. Trotz medizinischer Fortschritte ist es in Deutschland in den letzten Jahren nicht gelungen, die Anzahl der Amputationen signifikant zu reduzieren. Dies zeigt, dass eine verbesserte Prävention und eine frühzeitigere Behandlung von Fußkomplikationen notwendig sind.
Risikofaktoren
Fußläsionen bei Diabetikern sind das Ergebnis eines multifaktoriellen Geschehens. Die wichtigsten Risikofaktoren sind:
- Dauer und Verlauf des Diabetes: Je länger ein Patient an Diabetes leidet, desto höher ist das Risiko für Komplikationen.
- Neuropathie: Eine sensorische, motorische oder autonome Neuropathie kann dazu führen, dass Patienten Schmerzen oder Druckstellen nicht spüren und somit Verletzungen unbemerkt bleiben.
- Arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Durchblutungsstörungen aufgrund von Gefäßschäden erhöhen das Risiko von Ulzera und Amputationen erheblich.
- Schlechte Stoffwechseleinstellung: Eine unzureichende Kontrolle des Blutzuckerspiegels führt zu einer schnelleren Verschlechterung der Gefäß- und Nervenschäden.
- Alter des Patienten: Ältere Patienten sind besonders anfällig für Komplikationen, da sie häufig an weiteren chronischen Erkrankungen leiden und eine schlechtere Wundheilung haben.
Zu den weiteren Risikofaktoren gehören Adipositas, falsches Schuhwerk, mangelnde Fußpflege, Rauchen und psychosoziale Faktoren. Patienten, die bereits eine Amputation erlitten haben, sind ebenfalls einem höheren Risiko ausgesetzt, da sie eine veränderte Fußmechanik haben, die zu weiteren Problemen führen kann.
Prävention und allgemeine Behandlungsstrategien
Die Prävention von Fußkomplikationen bei Diabetikern spielt eine zentrale Rolle in der Leitlinie. Eine gezielte Risikostratifizierung und regelmäßige Untersuchungen sind essenziell, um gefährdete Patienten zu identifizieren und frühzeitig geeignete Maßnahmen einzuleiten.
Selbstuntersuchung und regelmäßige ärztliche Kontrolle
Eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen ist die tägliche Selbstuntersuchung der Füße durch den Patienten. Dies beinhaltet das Überprüfen der Füße auf Rötungen, Schwellungen, Blasen, Wunden oder andere Veränderungen. Patienten sollten ihre Füße in lauwarmem Wasser reinigen und mit einer geeigneten Feuchtigkeitscreme einreiben. Wichtig ist auch die sachgerechte Pflege der Fußnägel, um Verletzungen zu vermeiden.
Mindestens einmal jährlich sollte eine ärztliche Fußuntersuchung erfolgen, bei Risikopatienten häufiger. Dabei wird nicht nur der allgemeine Fußstatus überprüft, sondern auch spezifische Risikofaktoren wie die Neuropathie und pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) diagnostiziert. Ärzte sollten regelmäßig den Pulsstatus und die Berührungssensibilität der Füße überprüfen und gegebenenfalls weiterführende diagnostische Maßnahmen einleiten.
Geeignetes Schuhwerk
Das Tragen von geeignetem Schuhwerk ist eine der effektivsten Maßnahmen zur Vermeidung von Druckstellen und Fußläsionen. Patienten mit hohem Risiko sollten spezielle Diabetesschutzschuhe tragen, die auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind. Diese Schuhe sollten den Fuß gut stützen und ausreichenden Raum für die Zehen bieten, um Druckstellen zu vermeiden. Bei fortgeschrittenen Fußdeformitäten oder nach Amputationen können maßgefertigte Schuhe oder Orthesen erforderlich sein.
Patientenschulung
Eine regelmäßige Schulung von Patienten, deren Angehörigen und dem medizinischen Personal ist unerlässlich, um das Bewusstsein für die Risiken von Fußkomplikationen zu schärfen und die richtigen Präventionsmaßnahmen zu fördern. Die Schulungen sollten an die individuellen Bedürfnisse der Patienten angepasst sein und sowohl praktische Tipps zur Fußpflege als auch Informationen über die Bedeutung regelmäßiger Kontrollen vermitteln.
Diagnostik
Die Diagnostik von Fußkomplikationen bei Diabetikern besteht aus mehreren Stufen, die eine genaue Risikobewertung und frühzeitige Intervention ermöglichen. Die Diagnostik beginnt mit der Anamnese, bei der der Arzt die Krankengeschichte des Patienten erfasst, insbesondere in Bezug auf Neuropathiesymptome, pAVK und frühere Fußläsionen. Dabei wird auch die Häufigkeit der Selbstuntersuchung und Fußpflege durch den Patienten abgefragt.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung umfasst die Inspektion und Palpation der Füße. Dabei wird der Hautzustand (Trockenheit, Rötungen, Schwellungen) sowie die Fußform überprüft, um Deformitäten zu erkennen. Zudem wird die Sensibilität getestet, indem der Arzt mit einem 10g-Monofilament die Berührungsempfindlichkeit überprüft. Ein weiteres wichtiges Instrument ist der Stimmgabeltest, mit dem das Vibrationsempfinden gemessen wird. Dies hilft, eine Neuropathie frühzeitig zu erkennen.
Die Überprüfung der Durchblutung erfolgt durch das Abtasten der peripheren Pulse an den Beinen und Füßen. Bei Verdacht auf eine arterielle Verschlusskrankheit kann der ABI (Knöchel-Arm-Index) gemessen werden, um den Schweregrad der Durchblutungsstörung zu bestimmen.
Weiterführende Diagnostik
Bei komplexeren Fällen, insbesondere bei Verdacht auf eine diabetische Neuroosteoarthropathie (DNOAP) oder schwerwiegende Infektionen, können weiterführende diagnostische Verfahren wie die Röntgendiagnostik, Magnetresonanztomographie (MRT) oder digitale Subtraktionsangiographie (DSA) erforderlich sein. Diese Verfahren helfen, das Ausmaß der Gefäßschäden oder Knochenveränderungen zu bestimmen und die bestmögliche Behandlung einzuleiten.
Therapeutische Maßnahmen
Die Therapie von Fußkomplikationen bei Diabetikern umfasst verschiedene Ansätze, die auf den jeweiligen Schweregrad und das Stadium der Komplikation abgestimmt sind.
Behandlung von Druckstellen und Ulzera
Eine der wichtigsten Maßnahmen bei der Behandlung von Fußläsionen ist die vollständige Druckentlastung der betroffenen Stellen. Dies kann durch spezielle Entlastungsschuhe, Orthesen oder einen Vollkontakt-Gips (Total Contact Cast) erreicht werden. Bei schweren Fällen kann auch ein Rollstuhl oder Gehstützen eingesetzt werden, um den Druck auf die Füße zu minimieren.
Debridement
Beim Debridement wird abgestorbenes Gewebe chirurgisch entfernt, um die Wundheilung zu fördern. Dies ist besonders wichtig, um Infektionen zu verhindern und die Heilung des Ulkus zu beschleunigen. Das Debridement sollte regelmäßig durchgeführt werden, bis die Wunde sauber und frei von abgestorbenem Gewebe ist.
Lokale Wundbehandlung
Die Auswahl der Wundauflagen sollte individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden. Dabei spielen Faktoren wie die Menge des Exsudats, das Vorhandensein einer Infektion und das Stadium der Wundheilung eine Rolle. Ziel ist es, die Wunde feucht zu halten, um die Heilung zu fördern und gleichzeitig das Infektionsrisiko zu minimieren.
Antibiotische Therapie
Die Leitlinie betont, dass eine antibiotische Therapie nur dann eingesetzt werden sollte, wenn tatsächlich eine Infektion vorliegt. Nicht infizierte Wunden sollten nicht prophylaktisch mit Antibiotika behandelt werden, da dies zur Resistenzbildung beitragen kann. Bei milden Infektionen wird eine orale Antibiotikatherapie in Betracht gezogen, während bei moderaten bis schweren Infektionen eine intravenöse Antibiotikabehandlung empfohlen wird. Besonders bei schweren Infektionen, die mit systemischen Symptomen wie Fieber oder einer stark eingeschränkten Stoffwechsellage einhergehen, ist eine intensive antibiotische Therapie notwendig, um eine Ausbreitung der Infektion und weitere Komplikationen wie eine Sepsis zu verhindern.
Plastisch-rekonstruktive Maßnahmen
In Fällen, in denen die konservative Therapie (z. B. Druckentlastung, lokale Wundbehandlung und antibiotische Therapie) nicht zur Heilung führt, sollten plastisch-rekonstruktive Verfahren in Betracht gezogen werden. Diese Maßnahmen können helfen, schwer heilende Ulzera zu schließen und eine Amputation zu vermeiden. Hauttransplantationen oder Lappenplastiken können bei größeren Wunddefekten eingesetzt werden, um die Heilung zu fördern und die Funktion der betroffenen Extremität wiederherzustellen.
Amputationen
Ein zentrales Ziel der Leitlinie ist es, die Zahl der Amputationen durch präventive und therapeutische Maßnahmen zu reduzieren. Amputationen sollten immer als letztes Mittel betrachtet werden, wenn alle anderen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, Minoramputationen (z. B. Zehen- oder Vorfußamputationen) so gering wie möglich zu halten und Majoramputationen (oberhalb des Sprunggelenks) zu vermeiden.
Vermeidung von Amputationen
Durch eine frühzeitige Diagnostik und die konsequente Umsetzung der empfohlenen Basistherapien können viele Amputationen vermieden werden. Wichtige Maßnahmen zur Amputationsvermeidung sind:
- Regelmäßige Kontrolle des Gefäßstatus: Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist einer der Hauptgründe für Majoramputationen. Daher sollte bei jedem Patienten mit Fußkomplikationen der Gefäßstatus regelmäßig überprüft und bei Bedarf eine Revaskularisation durchgeführt werden.
- Frühzeitige Behandlung von Infektionen: Infektionen sind eine der häufigsten Ursachen für Amputationen. Eine frühzeitige und konsequente antibiotische Therapie kann helfen, die Ausbreitung der Infektion zu verhindern.
- Plastisch-rekonstruktive Verfahren: Wenn die konservative Therapie nicht ausreicht, sollte der Einsatz von plastisch-rekonstruktiven Verfahren in Betracht gezogen werden, um die betroffene Extremität zu erhalten.
Indikationen für Amputationen
Wenn eine Amputation unvermeidbar ist, sollte die Entscheidung auf Basis des klinischen Zustands und des lokalen Befunds getroffen werden. Zu den Indikationen für Minoramputationen gehören:
- Offene Gelenke
- Freiliegender Knochen mit Anzeichen einer Osteitis
- Feuchte Gangrän
- Trockene Nekrose
Indikationen für Majoramputationen bestehen, wenn:
- Eine aufsteigende Infektion (Sepsisquelle) droht
- Die Durchblutung so stark eingeschränkt ist, dass Gewebe abstirbt
- Trotz Therapie therapieresistente Ruheschmerzen bestehen, die die Lebensqualität des Patienten stark einschränken
Versorgungsmanagement und Schnittstellen
Die Behandlung von diabetischen Fußkomplikationen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen. Ärzte, Pflegepersonal, Podologen, Wundmanager und andere Gesundheitsberufe müssen eng zusammenarbeiten, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement sollte klar strukturierte Behandlungswege und eine nahtlose Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren sicherstellen, um den Patienten durch alle Phasen der Behandlung zu begleiten.
Koordination der Versorgung
Für Patienten mit einem erhöhten Risiko für Fußkomplikationen (z. B. aufgrund von Neuropathie oder pAVK) ist eine regelmäßige Fußkontrolle unerlässlich. Diese Kontrollen sollten in einem festgelegten Rhythmus (je nach Risikoklasse) durchgeführt werden, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und sofortige Maßnahmen einzuleiten.
Die Leitlinie empfiehlt, dass Patienten mit akuten Fußläsionen in spezialisierten Zentren behandelt werden sollten, um eine engmaschige Überwachung und die bestmögliche Therapie sicherzustellen. Diese Zentren verfügen über die notwendige Expertise und Ausstattung, um komplexe Fälle zu behandeln und das Risiko von Komplikationen zu minimieren.
Kommunikation zwischen den Versorgungsbereichen
Ein zentraler Punkt der Leitlinie ist die Optimierung der Schnittstellen zwischen den Versorgungsbereichen. Eine effektive Kommunikation zwischen Hausärzten, Fachärzten, Kliniken, Wundmanagern und Rehabilitationszentren ist entscheidend für den Erfolg der Behandlung. Das Einrichten von Prozessplänen und das gemeinsame Arbeiten nach klaren Vorgaben kann helfen, Informationslücken zu schließen und den Behandlungsprozess zu verbessern.
Die regelmäßige Befundübermittlung und der Einsatz von Recallsystemen (zur Erinnerung an Kontrolltermine) sind ebenfalls wichtige Maßnahmen, um den Versorgungsfluss zu optimieren. So kann sichergestellt werden, dass die Patienten rechtzeitig zur Kontrolle oder Behandlung erscheinen und Komplikationen vermieden werden.
Qualitätsmanagement und Qualitätsindikatoren
Das Qualitätsmanagement spielt eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung einer konstant hohen Versorgungsqualität. Die Leitlinie empfiehlt die Implementierung von Qualitätsindikatoren, die dabei helfen, die Effektivität der Behandlung zu überwachen und die Ergebnisse zu bewerten. Durch die systematische Erfassung und Auswertung von Daten können Bereiche identifiziert werden, in denen Verbesserungen notwendig sind.
Zu den Qualitätsindikatoren gehören:
- Die Häufigkeit der Fußuntersuchungen bei Diabetikern
- Die Rate von Ulzeraheilungen bei behandelten Patienten
- Die Zahl der vermiedenen Amputationen durch frühzeitige Intervention
Darüber hinaus sollte die Qualität der Versorgung regelmäßig durch interne und externe Audits überprüft werden. Schulungen und Weiterbildungen des medizinischen Personals sind ebenfalls wichtige Maßnahmen, um die Versorgungsstandards kontinuierlich zu verbessern und sicherzustellen, dass alle Beteiligten auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sind.
Evidenzbasierte Empfehlungen und Studienbewertung
Die Empfehlungen der Leitlinie basieren auf einer umfassenden Überprüfung der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur. Dabei wurden nationale und internationale Leitlinien herangezogen, um eine evidenzbasierte Grundlage für die Versorgungsstrategien zu schaffen. Die Empfehlungen wurden anhand von Evidenzklassen eingeteilt, die die wissenschaftliche Aussagekraft der zugrunde liegenden Studien bewerten.
- Evidenzklasse Ia: Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien
- Evidenzklasse Ib: Randomisierte, kontrollierte Studien
- Evidenzklasse IIa und IIb: Gut angelegte, kontrollierte Studien ohne Randomisation
- Evidenzklasse III: Gut angelegte, deskriptive Studien
- Evidenzklasse IV: Expertenmeinungen und klinische Erfahrung
Die Klassifizierung der Studien und die Analyse der Studiendesigns wurden von erfahrenen Ärzten und Biometrikern durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Empfehlungen der Leitlinie den höchsten wissenschaftlichen Standards entsprechen. Wo möglich, wurden auch internationale Leitlinien wie die des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) berücksichtigt, um den aktuellen Stand der Forschung zu reflektieren.
Schlussfolgerung und Ausblick
Die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) „Typ-2-Diabetes – Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen“ stellt einen umfassenden, evidenzbasierten Leitfaden zur Prävention, Diagnostik und Therapie von Fußkomplikationen bei Diabetikern dar. Sie betont die Bedeutung der Prävention und fordert eine regelmäßige, strukturierte Überwachung der Füße bei allen Diabetikern, um schwerwiegende Komplikationen wie Ulzera und Amputationen zu verhindern.
Die frühzeitige Identifikation von Hochrisikopatienten, der gezielte Einsatz präventiver Maßnahmen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen sind entscheidend für den Behandlungserfolg. Die Leitlinie hebt die Wichtigkeit von Qualitätsmanagementsystemen und einer kontinuierlichen Verbesserung der Versorgungsprozesse hervor, um die langfristige Versorgung von Patienten mit diabetischen Fußkomplikationen zu optimieren.
Ein zentrales Anliegen der Leitlinie ist es, die Zahl der Amputationen zu senken und die Lebensqualität der Patienten zu steigern. Dies kann durch eine frühzeitige Diagnostik, den gezielten Einsatz von plastisch-rekonstruktiven Verfahren und eine engmaschige Überwachung der Patienten erreicht werden. Zukünftige Updates der Leitlinie werden auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und dazu beitragen, die Versorgungsqualität kontinuierlich zu verbessern.
Was bedeutet das für medcial Wundmanagement?
Wir bei medical Wundmanagmenet sehen es als unsere Aufgabe, diese neuen Empfehlungen in unsere Versorgung zu integrieren, um die Behandlung von Betroffenen mit einem DFS und anderen Fußkomplikationen bei Typ-2-Diabetes zu optimieren.
Die Leitlinie gibt es hier zum Download.
Quelle:
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Bundesärztekammer (BÄK), & Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). (2010). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen (Version 2.8). https://www.versorgungsleitlinien.de